Samstag, 14. Juni 2014

Friedensidee Europa?

In der aktuellen Ausgabe der österreichischen Zeitschrift "Wegweiser Anthroposophie" erscheint folgender Aufsatz. Besonders freut es mich, dass so auch auf den 15. Geburtstag der Initiativ Gesellschaft EuroVision hingewiesen werden konnte.

Der Aufsatz im "Wegweiser Anthroposophie" mit dem Logo der
IG-EuroVision auf einer an Board der Bodensee-Fähre "Euregia" gehissten
Fahne, anlässlich der Gründung am 24. Juli 1999: Im Sternenkranz
der Gemeinschaft der dreigliedrige Mensch mit seinem Ich
* * *

Was heißt aus der Geschichte lernen?
Die Friedensidee „Europa“ weiter denken!


Das Jahr 2014 ist ein „Gedenkjahr“. Allüberall wird an den Ausbruch des 1. Weltkrieges vor 100 Jahren erinnert. Der „runde“ Abstand eines Säkulums bündeln die öffentliche Aufmerksamkeit auf die „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“, wie das Ereignis oft genannt wird. Die vielfältigen Ursachen, die zusammenfinden mussten, damit es zum Krieg kommen konnte, werden neu analysiert und immer öfter werden auch Parallelen zur Gegenwart entdeckt. Es wird die Frage gestellt, ob wir aus den Ereignissen gelernt und die richtigen Schlüsse gezogen haben.

Dabei wird dann vor allem das „Friedensprojekt Europa“ angeführt, welches durch gemeinsame Institutionen, die Dialog und Vereinbarung fordern, zweifelsohne vermochte, Europa nach dem 2. Weltkrieg den Frieden zu sichern. „Enge Verbindungen, wechselseitige Abhängigkeiten mögen einen Krieg weniger wahrscheinlich machen“, meinte etwa auch Martin Schulz, der Präsident des Europäischen Parlaments, Anfang des Jahres in einer Straßburger Rede. Doch – fügte er hinzu – „sie machen nicht immun gegen Krieg“. Schulz verweist auf die Errungenschaften der EU, zeigt aber auch auf die Eurokrise, in der er mit dem Historiker Christopher Clark ein Beispiel für einen Parallelvorgang aus der Zeit von vor 100 Jahren sieht: In der Eurokrise zeige sich eine „hochkomplexe Situation, in der die Akteure um einen potentiell katastrophalen Ausgang wissen – aber dennoch das Gemeinwohl hintenanstellen, das Eigeninteresse zu maximieren suchen und sogar die Möglichkeit der Katastrophe zum eigenen Vorteil ausnutzten. Ein hochgefährliches Spiel mit dem Feuer!“. Und bange fragt Schulz: „Sind wir heute wirklich andere Menschen? Sind die Dämonen von damals wirklich für immer gebannt?“


Die Herrschaft des Geldes und der Kultureinschlag der Anthroposophie


Doch was bannt die Dämonen? Der Friede ist ein trügerischer und wenn es auch bisher nicht zu einem ausgedehnteren „heißen Krieg“ gekommen ist, so tobt er mit anderen Waffen in der Wirtschaft selbst, wo die Egoismen und Nationalismen fröhliche Urständ feiern. Und doch sind es nicht die „Banker“ oder die „Politiker“ als solche, die bloß „andere Menschen“ werden müssten, um die Gefahren zu bannen. Es sind die von falschen Ideen herrührenden Systemzwänge. Im 19. Jahrhundert noch „war individuell der Träger des Geldes der Herrschende; dann aber verwandelte sich dieses Herrscherprinzip so, daß das Geld als solches herrschend wurde“ (R. Steiner am 19.10.1919, GA 191). – Eine Erkenntnis, die auch schon vor dem 1. Weltkrieg hätte heilsam wirken können. Doch „man wird finden, daß dieser Krieg wirklich hineingestellt worden ist wie das bedeutsame Karma des Materialismus, das durchgemacht werden muß, damit die Menschen eine Summe von Überzeugungen in sich aufnehmen, die aus dem Materialismus wiederum in den Spiritualismus hinüberführen. Diese Prüfung muß die Menschheit schon durchmachen“ (R. Steiner am 13.5.1915, GA 159). Das ist das eigentliche „Lernen aus der Geschichte“. Ideen und Begriffe, neue Überzeugungen sind nötig – der Kultureinschlag der Anthroposophie:

„Man reicht aus, ohne daß man Ideen hat, in Zeiten von Revolutionen und Kriegen, man kann aber nicht ausreichen ohne Ideen in Zeiten des Friedens; denn werden die Ideen in Zeiten des Friedens rar, dann müssen Zeiten von Revolutionen und von Kriegen kommen.“ Rudolf Steiner bringt hier einen „inneren spirituellen Zusammenhang“ zum Ausdruck, der „Richtkraft für soziales Denken in der Zukunft“ geben kann. „Und alle Deklamationen über den Frieden nützen nichts, wenn nicht diejenigen, die die Geschicke der Völker zu leiten haben, sich bemühen, gerade in Friedenszeiten Ideen zu haben. Und sollen es soziale Ideen sein, so müssen sie sogar von jenseits der Schwelle herrühren.“ (Vortrag vom 24.11.1918, GA 185a)


Neue Rechtsideen – Unsere demokratische Verantwortung


Diejenigen, die die Geschicke der Völker zu leiten haben, sind aber im demokratischen Zeitalter nicht mehr nur wenige Einzelne. Wir sind heute alle gemeinsam verantwortlich. Alle, in Gestalt der demokratischen Rechtsgemeinschaften unserer Staaten wie auch z.B. jener der EU. Und wenn erkannt ist, dass „Geld als solches herrscht […] Geld der eigentlich treibende Motor ist, ist die Zeit erfüllt, in der abgelöst werden muß, ich möchte sagen, die bloße bare Ziffer im Gelde durch Realitäten“, schließt Rudolf Steiner an den oben zitierten Gedanken von der „Herrschaft des Geldes“ an. Er spricht also von einem neuen Geldbegriff, wie er aus der Geisteswissenschaft gewonnen werden kann. Ihn in die Rechtsordnungen der EU und ihrer Mitgliedsstaaten einzufügen, ist das Ziel eines politischen Projekts, das gerade vorbereitet wird: „Europa 2019“.

Ein Krieg in Europa mag gebannt sein, aber ist er es aufs Ganze unseres Erdenschauplatzes gesehen? Von der Mitte Europas aus könnte hundert Jahre nach der ersten „Dreigliederungszeit“ ein heilsamer Brücken-Impuls ausgehen, wenn es sich auf seine eigenen Wege besinnt, z.B. auf einen europäischen Weg der Wirtschaft und des Geldes, anstatt als weitere Supermacht einen Superstaat auszubilden.

Gerhard Schuster

Wer an dem genannten Projekt "Europa 2019" interessiert ist, findet in Kürze weitere Informationen auf www.ig-eurovision.net. Auch freue ich mich über Kontaktaufnahmen (siehe Formular in der rechten Spalte.)  

Nachtrag: Seit dem 1. August 2014 gibt es für das Projekt eine Webseite: www.europa2019.net


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